Ziel der kleinen Schreibübung war, sich des eigenen Schreibprozesses bewusst zu werden. Und da ich kein Thema hatte, nahm ich das vorgeschlagene: Schreibblockaden. Meine Schreibblockaden sind legendär. Es war sehr spannend, erneut einen Blick darauf zu werfen und zu verstehen, was in all den Jahren wirklich passiert ist. Vor allem in mir selbst.
Ich würde mal behaupten, dass es völlige Unwissenheit war, die mich ständig in mentalen Sackgassen führte. Ein bisschen mehr Wissen übers Schreiben, und ich hätte so viel entspannter damit umgehen können.
Aber wie heißt es so schön: Leben heißt Lernen. Inzwischen bin ich um einige Erkenntnisse reicher.
Das Elend begann mit den Texten für meine Coaching-Website.
Die hatten ein ganz klares Ziel: Kunden gewinnen. Und so achtete mein innerer Redakteur vom ersten Satz akribisch an darauf, dass ich ordentliche Texte schreibe. Ich würde es „ergebnisorientiertes Schreiben“ nennen. Salestexte, die meine Leistung beschreiben, SEO-konform, persönlich, informativ und gut zu lesen sind. Ich hatte genug Bücher gelesen und wusste, wie es geht. Also los.
Wer schon ein bisschen Schreiberfahrung hat, rollt jetzt wahrscheinlich mit den Augen, denn natürlich hat das überhaupt nicht funktioniert!
Im Gegenteil.
Es hat mich zeitweise so unter Druck gesetzt, dass gar nichts mehr ging. Da half auch der Texter mit seinen guten Ratschlägen nicht. Ich kam aus dem Schwitzen gar nicht mehr raus und war nicht nur einmal am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Und das, wo ich immer Freude am Schreiben hatte. Was war da los?
Im Rückblick kann ich sehen, dass sich zwei Faktoren, die einzeln durchaus zu händeln gewesen wären, kumuliert hatten:
- Mit einem dermaßen hohen Anspruch an Texte heranzugehen, ist ein nahezu tödliches Unterfangen. Das wäre, als würde ich erfahrungsfrei, aus dem Off heraus, einen Bestseller schreiben wollen.
- Meine Positionierung war völlig unklar.
Wie sollen gute Texte entstehen, mit einer nicht vorhandenen Positionierung, die einem gut gefüllten Bauchladen ähnelt und Wunschkunden, von denen du noch nicht die leiseste Ahnung hast. Wie sollen selbstbewusste Texte entstehen, während du selbst noch voller Unsicherheit und Zweifel bist? Und dann wird dir noch gesagt, dass es eigentlich noch ganz einfach ist, wenn du der Anleitung folgst.
Das war keine Schreibblockade, das war Unwissenheit, gepaart mit völliger Orientierungslosigkeit und Unsicherheit.
Also zurück auf Los, alles auf Anfang.
Nach diversen Positionierungscoachings wurde es zwar besser, aber bis zur endgültigen Positionierung hatte ich zwei Webseiten mit unterschiedlichen Coaching-Positionierungen erstellt. Inzwischen weiß ich, dass es nicht nur mir so ging.
Kein Wunder, dass die Schreibblockaden nicht lange auf sich warten ließen, als ich 2022 wieder mit dem Bloggen begann.
Denn meine Schreibstrategie war immer noch die gleiche wie viele Jahre zuvor. Sobald ich an Themen kam, mit denen ich mich noch nicht auseinandergesetzt hatte, trat ich wieder auf der Stelle. Ich hatte immer noch nicht verstanden, dass Texte nicht „wie von Zauberhand“ entstehen oder vom Himmel fallen.
Schreiben ist Handwerk, das man lernen kann – und dann braucht es viel Übung.
Inzwischen weiß ich, dass es so gut wie aussichtslos ist, über ein Thema zu schreiben, zu dem man sich noch keine Gedanken gemacht hat. Das man noch nicht für sich erobert hat. Das noch nicht in einem gereift ist. Genau das passierte mir nämlich in schöner Regelmäßigkeit.
Was ich so viele Jahre als Schreibblockade bezeichnete, war in Wirklichkeit gar keine.
Es waren einfach Themen, bei denen ich blank war. Ich hatte mich noch nicht ausreichend damit auseinandergesetzt.
Die Zweifel an mir selbst und meinen Fähigkeiten waren völlig unbegründet.
Was mich gerettet hat, ist die Tatsache, dass ich eine Meisterin im Dranbleiben und Durchhalten bin. Ich habe mich mühevoll durch den Schreib- und Lernprozess durchgekämpft. Habe mich wie ein Terrier an den Themen festgebissen und erst losgelassen, als das Schreiben in Gang kam. Das war mühevoll und quälend. Manchmal entstand der Text während des Schreibens und ein paar wenige Male warf ich einfach die Flinte ins Korn. Dabei fühlte ich mich auch noch unfähig und schlecht, was völlig überflüssig war.
Denn es hatte nichts mit fehlenden Fähigkeiten, sondern mit fehlendem Wissen zu tun.
Heute weiß ich, dass der Schreibprozess an Leichtigkeit gewinnt, wenn man Gedanken, Ideen und Fragen zum Thema sammelt. Notiert, was gerade da ist – und zwar klassisch per Hand. Dabei schickt man inneren Redakteur oder Kritiker idealerweise in die Wüste und schreibt los. Eine Art „shitty first draft“, inklusive Rechtschreibfehler. Damit kommt schon mal alles, was im Unterbewusstsein schlummert, an die Oberfläche. Und dann: Ruhen lassen wie einen guten Wein. Das Thema arbeitet sowieso im Unterbewusstsein weiter und führt einen zu der Inspiration, die es noch braucht. Ein Satz in einem Buch, ein Artikel in einem Magazin oder ein Newsletter.
Als Nächstes kommt das wichtigste und gleichzeitig herausforderndste (zumindest für mich): Füße stillhalten. Druck raus, loslassen und entspannen. Die besten Gedanken und Ideen entstehen in der Stille oder wie bei mir: beim entspanntem Tun.
Dass in einem gelassenen Zustand so viel mehr entsteht, als wenn man unter Druck arbeitet, musste ich erst lernen.
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die unter Druck zur Höchstform auflaufen. Bei mir hat es den gegenteiligen Effekt: Es geht gar nichts mehr. Dafür konnte ich etwas anderes ausgesprochen gut: Mir selbst Druck machen. Aus dem Gefühl der Unfähigkeit (andere können es doch auch, nur ich nicht) und vielen Selbstzweifeln habe ich mich unnötig angetrieben und damit direkt von einer Sackgasse in die nächste geführt. Darin war ich übrigens sehr erfolgreich. 🙈
Schreiben ist kein Ereignis, sondern ein Prozess.
Es hat zwar eine kleine Ewigkeit gedauert, bis ich das begriffen habe, aber besser spät als nie. Deshalb mag ich hier drei Tipps und Erkenntnisse an dich weitergeben:
- Schreiben ist Kontrollverlust. Bäm! Ich mag diesen Satz, weil wahr ist. Am Beginn des Schreibens haben wir nicht die leiseste Ahnung, was genau entstehen wird. Es macht mir keine Angst. Im Gegenteil. Ich finde es wunderbar.
- Trenne das Schreiben eines Entwurfes vom ergebnisorientierten Schreiben. Beim Schreiben des ersten Entwurfs schickst du den inneren Kritiker und den Redakteur nach Timbuktu, während du entspannt drauflos schreibst. Wenn es dann darum geht, den Text in eine Form zu bringen, also ergebnisorientiert zu schreiben, dürfen dich beide unterstützen.
- Schreiben ist Umschreiben. Das ist mein Satz des Jahres! Er hat mich unglaublich entlastet. Die eigentliche Arbeit ist nicht das Schreiben des Textes, sondern der Prozess des Umschreibens.
Den letzten Punkt fand ich in einem kleinen Schreibkurs und er hat mir einen völlig neuen Blick auf das Schreiben gegeben. Bis dahin dachte ich, dass ich die einzige bin, die so lange an ihren Texten herumfeilt, bis sie sich gut anfühlen. Bis ich das Gefühl habe, dass ein Text fertig ist.
Und dann habe ich kürzlich eine ganz neue Schreiberfahrung gemacht.
Den Blogartikel „Was aus ‚einfach mal machen‘ entstehen kann“ hatte ich schon seit Wochen im Kopf. Ich hatte dazu eine interessante Erkenntnis, über die ich gerne schreiben wollte. Aber das Thema war einfach nicht reif. Da half auch der „shitty first draft“ nicht, ich fand ihn einfach Mist. Und dann saß ich an meinem Schreibtisch, wollte eigentlich etwas ganz anderes tun, und plötzlich war der Text in mir. Während des Schreibens kamen mir immer mehr Projekte in den Sinn und er war Nullkommanichts fertig. Er entstand mit großer Leichtigkeit und vor allem fühlte er sich unglaublich gut an. Ich war so glücklich, dass ich ihn am liebsten gleich veröffentlicht hätte.
Zuerst dachte ich an einen Zufall, aber ein paar Tage später ist mir genau dasselbe wieder passiert: „Aha! So kann Schreiben also auch gehen. Das ist ja spannend.“ Für mich fühlt sich das im Moment noch wie ein völliger Kontrollverlust an, aber ich bin sicher, dass daraus mein ganz eigener Schreibprozess entstehen wird.
Was ich mir im Rückblick gewünscht hätte
Ich hätte mir gewünscht, dass mir irgendjemand von den erfahrenen Schreiberlingen, mit denen ich arbeitete, gesagt hätte, wie Schreiben wirklich funktioniert. Und zwar für jemanden, der neu damit beginnt und völlig erfahrungsfrei unterwegs ist. Jemand, der mir erklärt hätte, welcher Herausforderung ich mit den Texten für die erste Website stelle und dass das nicht »mal kurz« gehen wird. Es hätte mich gelassener mit allem umgehen lassen und mich nicht ständig an mir selbst zweifeln lassen.
Aber ist, wie es ist und das wichtigste ist doch, dass wir aus unseren Erfahrungen lernen. In diesem Sinne wünsche ich dir viel Freude und Gelassenheit beim Schreiben.
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