Mit digitalem Journaling hatte ich mich bisher noch gar nicht beschäftigt. Tatsächlich war mir, als Papierfetischistin, der Begriff völlig unbekannt. Gleichzeitig war ich neugierig und so entstand die Idee zum Interview mit der lieben Angelika @puetz_angelika. Wir dürfen in ihr digitales Journal schauen und sie erzählt uns, wie sie zum Bullet Journaling kam und was sie am digitalen Journaling so faszinierend findet. Am Ende zeige ich dir noch, wie ich mein Handy fürs Journaling benutze.
Liebe Angelika, wann und wie hast du das Journaling für dich entdeckt?
Die Moleskine Notizbücher habe ich im April 2017, während eines Urlaubs, entdeckt. Mir gefiel die Entstehungsgeschichte und als ich zeitgleich auf Youtube kreativ gestaltete Bullet Journale sah, war ich sofort begeistert. Den Alltag auf diese Art und Weise zu organisieren und zu reflektieren, gefiel mir. Ich fand es toll, sich die Schätze, die man als Erinnerung ins Leben geholt hat, immer wieder zu betrachten. Die Bücher enthielten Zeichnungen, Erkenntnisse, Aufgaben und Termine, aber es war alles so viel schöner als in den klassischen Kalendern. Das hat mich sehr inspiriert.
Wie bist du mit dem Bullet Journaling gestartet?
Ich habe gesehen, wie andere ihre Notizbücher strukturieren und das übernommen, was mir gefiel. Daraus hat sich über die Jahre mein ganz persönlicher Stil entwickelt. Eine Idee gefiel mir ganz besonders: erledigte Aufgaben am Ende des Tages abzuhaken. Damit wollte ich meiner fehlenden Disziplin auf die Spur kommen. Ich dachte, dass ich erfolgreich bin, wenn ich am Ende des Tages meine Aufgaben abhaken kann, denn bis dahin hatte ich das nur selten geschafft. Heute weiß ich, dass fehlende Disziplin bei mir ganz andere Gründe hat. Herausgefunden habe ich das durchs Journaling.
Was schreibst du alles in dein Bullet Journal?
Im Laufe der Zeit habe ich die Seiten an meine Bedürfnisse angepasst. Eine Woche auf zwei Seiten genügte mir. Damals habe ich jedoch schnell aufgehört, die Tage vorzuschreiben, denn ich habe gemerkt, dass ich das Buch nicht jeden Tag zur Hand nehme. Ich hatte es nie wirklich als Terminkalender genutzt. Dafür habe ich Erlebnisse und Vorhaben notiert und meine Ernährung, Gewohnheiten und z. B. das Körpergewicht darin dokumentiert. All das, womit ich mich herausfordern wollte, damit es mir in meinem Leben besser geht. Es geht mir immer darum, mich selbst und mein Leben zu optimieren.
Inzwischen schreibe ich ins Bullet Journal, wenn es mich „ruft“, wenn mich ein Thema innerlich bewegt. Wenn ich eine Lösung zu einem Problem suche und das Schreiben für die innere Reflexion nutzen möchte. Ich beginne mit dem Datum, beschreibe kurz die Situation, nehme meine Gefühle und Gedanken wahr und schreibe das alles auf was kommt. Während des Schreibens zeigt sich dann ziemlich schnell das Thema, um das es wirklich geht. Oft befrage ich mein Herz: Liebes Herz, was sagst du dazu? Und dann schreibe ich einfach drauflos.
Wenn ich Lust habe, koloriere ich die Seite oder mache eine kleine Zeichnung, aber auch das entsteht spontan und aus dem Moment heraus. In der Regel kommt alles, was mir wichtig ist, ins Bullet Journal.
Welchen Effekt hast du durchs Schreiben bei dir beobachtet?
Ich habe mich durchs Schreiben meiner inneren Stimme und meinem Wesenskern genähert. Manchmal kommt das, was ich aufschreibe, aus dem Verstand und manchmal verändert es sich während des Schreibens. Dann kommen die Texte aus meinem Herzen. Sie fühlen sich anders an und haben oft überraschende Inhalte – wahrhaftig und auf eine besondere Art richtig. Ich gewinne dadurch neue Erkenntnisse und erfahre etwas über die Hintergründe meiner Gefühle und bekomme Hinweise, wie ich mit einer Situation anders umgehen kann.
Ich bin immer auf der Suche nach Lösungen, um mich besser zu fühlen. Läuft etwas schwer, dann frage ich mich, wie es leichter laufen kann. Ich frage mich dann, wo die Freude ist. Viele Themen haben sich durch die schreibende Reflexion verändert. Ich habe sie besser verstanden und eine neue Sicht bekommen. Das Journaling ist ein wichtiger Teil meiner Bewusstseinsreise.
Man könnte ja auch einfach über etwas nachdenken. Was ist für dich der Unterschied zum Schreiben?
Wenn ich über etwas nachdenke, bewege ich mich im Verstand und der Logik. Beim Schreiben kommt eine andere Dimension mit ins Spiel. Ich schreibe Worte, die ich vorher nicht gedacht habe. Sie kommen aus dem Herzen, von meiner inneren Stimme und sie fühlen sich anders an. Das kann man nur schwer beschreiben.
Wie hat sich dein Journaling über die Jahre verändert?
Ich nutze nach wie vor die Notizbücher von Moleskine dotted im XL-Format und gestalte auch das Cover individuell. Nach wie vor schreibe nur dann, wenn mir etwas wichtig ist. Ich schreibe auch nicht regelmäßig. Ich bin kein Kalendertyp, der täglich mit dem Bullet Journal arbeitet. Ich trage Meilensteine ein, aber keine Aufgaben. Was ich auch noch notiere, sind Bücher, die ich gelesen habe.
Es geht mir hauptsächlich darum, Zusammenhänge zu verstehen. Ich möchte verstehen, wie das Leben funktioniert. Ich möchte begreifen, wie ich in eine Situation gekommen bin. Es ist mein Persönlichkeitsentwicklungs-Buch geworden. Außerdem finde ich es schön, beim Durchblättern zu sehen, wo ich einmal stand, wie ich mich verändert habe und wann was passiert ist.
Wie bist du zum digitalen Journaling gekommen? Machst du jetzt alles digital?
Im Moment mache ich es parallel zum klassischen Journaling. Ich bin durch ein Youtube Video von www.paperlesslife.de aufs digitale Journaling gekommen. Mich hat das Thema sofort begeistert und da ich sowieso ein iPad habe, habe ich gleich die App GoodNotes heruntergeladen.
Was machst du digital und was machst du analog?
Ich nutze das digitale Journaling noch nicht sehr lange und experimentiere im Moment noch viel. Kürzlich habe ich einen Tagesausflug im digitalen Journaling umgesetzt. Für unterwegs ist das eine tolle Sache. Fotos lassen sich leicht einfügen, ich kann Sticker entwerfen und den Tag kurz und knackig dokumentieren. Es ist eine schöne Nachbereitung und Erinnerung an den Tag, die ich sogar anderen schicken kann.
Im Moment reflektiere ich meine Gedanken und Gefühle noch im analogen Notizbuch. Ich kann mir aber vorstellen, mittelfristig komplett aufs digitale Journaling umzusteigen. Es bietet so unendlich viele Möglichkeiten, Erinnerungen festzuhalten. Man kann Dateien mit Audios ergänzen, Youtube-Videos oder andere Seiten verlinken und Pläne hinterlegen. Ich bin gerade erst dabei, das alles zu entdecken, finde es aber sehr faszinierend. Im Moment finde ich das Schreiben auf Papier noch schöner, aber das ist vermutlich nur eine Sache der Gewöhnung.
Wie schaust du heute, nach vielen Jahren der schriftlichen Bewusstseinsreise, aufs Journaling?
Für mich hat sich das Journaling als Reise zu mir selbst erwiesen. Heute empfinde ich es als Geschenk, meine Worte, Sketches und Bilder nochmal lesen zu können, einzutauchen in eine Energie der vergangenen Jahre und zu erkennen: Wo stand ich damals und wo stehe ich heute.
Ich empfinde es als Schatz, die Seiten meines Journals durchzublättern, ob digital oder anlog. Seiten, die ich kreativ verschönert habe und meine Erlebnisse somit nochmal Wertschätzung erfahren. Am Ende ist es ein wertschätzendes „Ja“ zu mir selber!
Diese Erkenntnis brauchte aber den Weg über das Journal. Ich bin dankbar, diesen gegangen zu sein!
Vielen Dank, liebe Angelika, für deinen spannenden Bericht und dass wir in dein digitales Journal schauen durften.
Wie ich das Handy fürs Journaling nutze
Mein Notizbuch ist aufgrund der Größe und des Gewichts nicht sehr handtaschen-tauglich, weshalb es demnächst ein kleines Notizbuch „to go“ geben wird. Allerdings nützt mir das wenig, wenn ich auf Kurzstrecken in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, weil es während der Fahrt viel zu ruckelig ist.
Deshalb bin ich dazu übergegangen, spontane Gedanken ins Handy zu schreiben. Meist mache ich sowieso ein Foto und dann geht’s los. Die komplette Datei, inklusive Foto, drucke ich aus und klebe sie Zuhause ins Notizbuch.
Mir gefällt die Idee des digitalen Journaling, auch wenn ich im Moment noch keine Umsetzungsenergie verspüre. Dafür liebe ich das Schreiben mit dem Füller und die Kreativität mit unterschiedlichen Medien noch viel zu sehr. Eigentlich ist ja mein Blog eine Art „digitales Journaling“. Na ja, zumindest ein bisschen, denn die ganz persönlichen Gedanken behalte ich dann doch lieber für mich und ich bin mir auch noch nicht sicher, ob ich sie in einer Cloud speichern wollte. Aber das muss ich ja heute noch nicht entscheiden.
Hast du schon Erfahrungen mit digitalem Journaling gemacht?
Liebe Marita.
ein anregendes Interview. Vielen Dank dafür. Persönlichkeitsentwicklung braucht ja eigentlich keine komplizierten Tools, aber um Dranzubleiben sind neue Anregungen unbedingt hilfreich.
Herzliche Grüße, Korina
Ja das stimmt, liebe Korina. Eigentlich kann es ganz einfach sein 😉
Marita