Es gibt Bücher, die inspirieren, es gibt Bücher, die Wissen vermitteln, die einen tief bewegen – und dann gibt es Bücher, die ein Problem lösen und dadurch das Leben verändern. Das Buch „Wie ich meine Angst vor Zurückweisung überwand und unbesiegbar wurde“ von Jia Jiang hat mein Leben für immer verändert. Und weil es eine so durchschlagende Wirkung hatte, schreibe ich heute über ein kleines Experiment, zu dem es mich ermutigt hat.
Du und selbstständig? Du hast doch gar kein Netzwerk!
Das war einer der ersten Sätze, die ich zu hören bekam, als ich mich auf den Weg in die Selbstständigkeit machte. Mist! Die Person hatte ja recht, denn ich flog gerne unterm Radar und Netzwerken fand ich schon immer gruselig. Damit meine ich die klassischen Netzwerktreffen, samt der Menschen, die sich nicht die Bohne fürs Gegenüber interessieren und mit größter Begeisterung nur über sich selbst und ihr Angebot reden.
Dazu musst du wissen, dass ich in einer Familie von sehr zurückhaltenden und introvertierten Menschen groß geworden bin. Mein Vater erzählt oft, wie sehr er sich zu Beginn seiner Selbstständigkeit überwinden musste, andere nach Aufträgen zu fragen.
Jetzt war ich in einer ähnlichen Situation und hatte keine Ahnung, wie ich an Kunden kommen sollte.
Wie wichtig Akquise ist, wurde mir bewusst, als unser Familienunternehmen in eine gehörige Schieflage geriet. Keiner wusste, wie man neue Kunden gewinnt. Ich habe dieses Gefühl der Ohnmacht nie vergessen. Deshalb war mir bei meiner Gründung bewusst, dass ich dem Thema nicht ausweichen konnte.
Schließlich wartete die Welt nicht auf mich.
Ich musste also lernen zu trommeln, damit die Menschen auf mich aufmerksam werden.
Mein Umfeld war an der Stelle keine Unterstützung, denn alle hatten genauso viel Angst wie ich selbst.
Ich las Bücher und besuchte Seminare, aber das war nur wenig hilfreich und es fühlte sich auch nicht gut an. Ich hatte immer noch das Gefühl, mit der Tür ins Haus zu fallen, wenn ich über meine Leistung sprach. Wenn es überhaupt dazu kam, denn ich hatte ja schon Angst, andere Menschen anzusprechen.
Kunden fand ich trotzdem, denn ich hatte mich in Google Ads vertieft. Das war zwar ordentlich teuer, brachte mir aber Kunden, die den Weg übers reine Netzwerken sicher nicht zu mir gefunden hätten. Das Problem war also erst Mal gelöst, aber ich wollte es trotzdem lernen.
Meine Rettung: Ein Buch über die Angst vor Zurückweisung
Dann kam Network Marketing in mein Leben und das war meine Chance. Denn ich hatte keine Lust, Menschen wahllos anzusprechen und quasi mit der Tür ins Haus zu fallen. Alles, nur das nicht. Ich musste einen anderen Weg finden. Dann entdeckte ich das TED-Video von Jia Jiang und ab da veränderte sich alles.
Das Buch, das alles veränderte
Sein Buch „Wie ich meine Angst vor Zurückweisung überwand und unbesiegbar wurde“ hatte ich innerhalb kürzester Zeit gelesen. Was für eine Erleichterung! Ich war mit meinem Problem kein Einzelschicksal. Außerdem sind seine Experimente einfach köstlich. Zum Beispiel klingelte er an Häusern, um zu fragen, ob er einen Rosenbusch in den Garten pflanzen darf. Er bat wildfremde Menschen um 50 $ und vieles mehr. Es war faszinierend, seine Lernkurve mitzuerleben. Ich musste das unbedingt ausprobieren, zumindest in abgeschwächter Form.
Mein Ziel: Ich spreche fremde Menschen an
Ich bin ganz langsam und in meinem Tempo gestartet. In den ersten Tagen habe ich mich erst mal gar nichts getraut. Da ging es mir ähnlich wie Stephanie Quitterer mit ihren Hausbesuchen, die sich zu Beginn nicht traute an der Haustüre ihrer Nachbarn zu klingeln und unverrichteter Dinge, und ihrem selbstgemachten Kuchen, wieder nach Hause ging.
Schritt #1: Lächeln verschenken
Ich stand als junge Frau mal für eine Freundin mit Produktproben in der Fußgängerzone und fand das ganz schrecklich. Die Menschen waren mir regelrecht aus dem Weg gegangen und freundlich schauten sie auch nicht.
Deshalb kostete es mich etwas Überwindung, wildfremde Menschen, die mir auf der Straße oder in der U-Bahn begegneten, anzulächeln.
Zu der Zeit war ich jeden Tag 90 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Es gab also genügend Gelegenheiten und tatsächlich war es leichter ich befürchtet hatte.
Natürlich grinst nicht jeder zurück, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Ich meine, ich laufe oft genug in Gedanken versunken durch die Straßen, ohne auf die Menschen um mich zu achten. Wenn aber jemand zurücklächelt, was übrigens gar nicht so selten vorkommt, ist es herrlich. Diese kurze Verbindung macht etwas mit einem.
Schritt #2: Komplimente machen
Im nächsten Schritt ging es darum, fremde Menschen anzusprechen und ihnen ein Kompliment zu machen. Während ich also in der U-Bahn saß, schaute ich die Menschen um mich herum etwas genauer an. Es ist übrigens sehr spannend, welche Details man plötzlich entdeckt, wenn man aufmerksam ist.
Wichtig bei Komplimenten: Sie müssen ehrlich gemeint sein. Das Gegenüber spürt sofort, wenn man nur blöd daherlabert. Deshalb habe ich mir Zeit gelassen und die Menschen nur angesprochen, wenn ich wirklich etwas entdeckte, das mir gefiel.
Und dann wurde es magisch.
Manchmal sprach ich die Menschen kurz vor dem Aussteigen an und ich bekam zumindest ein Lächeln und ein Dankeschön zurück. War mehr Zeit, dann entstanden oft richtig nette Gespräche. Es begann Spaß zu machen und ich wurde zunehmend mutiger.
Ich erinnere mich noch an eine Frau, die ihr Instrument dabei hatte. Ich weiß nicht mehr genau, was ich zu ihr sagte, aber es entstand ein interessantes Gespräch. Und sie erklärte mir, dass man auch ohne Noten lesen zu können, ein Instrument spielen kann. Hätte ich das mal Teenager gewusst! Ich erfuhr wunderbare Geschichten aus dem Leben der Menschen und besonderen Ereignissen. Ich bekam Tipps und oftmals den Satz: „Schade, dass ich schon aussteigen muss, das Gespräch war so nett“.
Ich habe keine einzige negative Reaktion erhalten!
Was sich durch mein kleines Experiment verändert hat
Das Experiment liegt schon viele Jahre zurück, aber ich erinnere mich noch, wie es mir die Angst, fremde Menschen anzusprechen, genommen hat. Es ist mir nicht mehr peinlich und die Scheu ist völlig verschwunden. Im Gegenteil. Es macht mir Freude und ich bin immer wieder erstaunt, wieviel Vertrautheit in minikleinen Momenten entstehen kann.
Ich hätte mir gewünscht, das schon früher zu lernen. Es hätte mir in Zeiten des Alleineseins geholfen, Menschen kennenzulernen und mit Netzwerkabenden lässiger umzugehen. Mir wurde zwar geraten, diese kurzen Gespräche gleich zu nutzen, um über mein Business zu sprechen, aber fühlte sich für mich nie stimmig an. Also habe ich es gelassen.
Stattdessen hatte ich den Fokus auf mein Gegenüber und dessen Geschichte. Was mir dabei sicher geholfen hat, war mein großes Interesse an Menschen und ihren Erfahrungen. Ich könnte jeden, der mir begegnet, ein Loch in den Bauchfragen.
Meine Angst vor Zurückweisung habe ich noch nicht ganz überwunden
Und ich bin mir auch nicht sicher, ob man sie endgültig überwinden kann. Vielleicht reden wir in fünf Jahren nochmal darüber.😉 Zugehörigkeit ist eines der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse und Ablehnung wirkt – und das kann man in Hirnscans sehen – ähnlich wie körperlicher Schmerz. Das erklärt auch, warum das Thema Sichtbarkeite für viele Menschen eine so große Herausforderung ist.
Der inneren Freiheit bin ich mit diesem Experiment trotzdem ein großes Stück näher gekommen. Es bedeutet, mich von inneren Hindernissen nicht mehr aufhalten zu lassen, sondern das zu tun, was ich tun möchte oder was zu tun ist.
Dieser Blogartikel entstand im Rahmen der Blogparade von Julia Georgi. Im ersten Moment fiel mir tatsächlich kein Buch ein, weil so so viele Bücher gibt, die einen großen Einfluss auf mich und mein Leben hatten. Und dann fiel beim Frühstück der Blick aufs Bücherregal und dieses Buch. Liebe Julia, ich danke Dir für diese Steilvorlage. 😉
Das ist offenbar genau das richtige Buch für mich 😂. Mit Lächeln und kleinen Gesprächen bin ich inzwischen ganz mutig aber letzte Weihnachten hab ich mich doch glatt fast nicht getraut, eine Karte in den Briefkasten der Nachbarin zu werfen (und das heimlich im Dunkeln gemacht). Und sowas schimpft sich Teamleiterin, da bekommt man schon mal Selbstzweifel. Da ist also genug Potential zur Weiterentwicklung.
Ich finde es bemerkenswert, dass du diese kleinen Gespräche nicht genutzt hast, um dich zu bewerben. Wie viele Chancen zu Lernen verpassen wir, wenn wir nur über uns selbst reden?! Und als offener und interessierter Zuhörer bleibt man den Menschen doch viel eher positiv im Gedächtnis. Wer weiß, was daraus noch entstehen kann. Denn die Welt ist klein, und wenn man sich ein zweites Mal begegnet, will man ja nicht die nervige, selbst beweihräuchernde Laberbacke gewesen sein 😉
Liebe Grüße
Vanessa
Liebe Vanessa,
das Buch ist herrlich zu Lesen, ich empfehle es sehr gerne. Danke, dass Du Deine Geschichte so ehrlich teilst, ich kann das sehr gut verstehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es vielen ähnlich geht wie Dir. Das ist so menschlich!
Tatsächlich fand ich es ziemlich unpassend, beim ersten Kontakt mit der Tür ins Haus zu fallen. Es mag Menschen geben, die das mögen, aber ich definitiv nicht. Und am Ende soll man sich ja auch wohlfühlen.
Liebe Grüße,
Marita