Das Thema Werte ist unglaublich spannend – gleichzeitig vielschichtig und manchmal verwirrend. Warum? Weil ich mich in vielen Werten wiederfinde und es mir schwerfällt, mich auf wenige zu beschränken. Doch genau das ist wichtig. Denn wer seine Werte im Alltag wirklich leben möchte, braucht Klarheit. Und das gelingt mit drei Werten deutlich leichter als mit fünfzehn.
In einem kleinen Werte-Workshop mit Dr. Andrea Maria Bokler war ich – im besten Sinne – gezwungen, mich tiefer mit meinen Werten auseinanderzusetzen.
Was sind Werte?
Dr. Andrea Maria Bokler, Expertin für Werte, beschreibt sie so: „Persönliche Werte sind die Überzeugungen und Prinzipien, die unser Verhalten und unsere Entscheidungen leiten. Persönliche Werte sind wie ein Kompass, der uns hilft, uns in allen Lebensbereichen zu orientieren, sowohl privat als auch beruflich.
Sie stiften Identität, Zugehörigkeit und Sinn und bilden die Grundlage für eine authentische und erfüllende Lebensweise.
Unsere Werte erklären, warum wir handeln, wie wir handeln, und sie zeigen, was und wer wirklich zu uns passt. Sie erleichtern Entscheidungen, lenken den Fokus auf das Wesentliche und schaffen innere Klarheit. Manche Werte begleiten uns ein Leben lang, andere verändern sich mit unserer Entwicklung. Deshalb lohnt es sich, immer wieder zu fragen:
Was bedeutet dieser Wert für mich?
Denn erst, wenn unsere Werte mit unseren Gedanken, Gefühlen und Handlungen im Einklang sind, entsteht innere Harmonie.
Was ich nicht über Werte wusste
Ich habe mich im Laufe der Jahre immer wieder mit meinen Werten beschäftigt – mal mehr, mal weniger intensiv. Allerdings gab es einiges, was mir nicht bewusst war:
- Es gibt Werte, die bleiben – und solche, die sich mit unserer Entwicklung verändern.
- Auch gesellschaftliche Werte wandeln sich und beeinflussen uns stärker, als wir denken.
- Jeder Wert kann unsere Entwicklung fördern – oder bremsen.
- Wird einer unserer Werte bedroht, dann kämpfen wir dafür. Dann sind wir besonders verletzlich.
- Es gibt keine guten, schlechten, richtigen oder falschen Werte – nur persönliche.
Woran erkennen wir unsere Werte?
Wenn dich etwas sehr verletzt, kann das ein Hinweis darauf sein, dass einer deiner Werte verletzt wurde. Ich kann zum Beispiel Ungerechtigkeiten in Filmen kaum ertragen. Andrea Maria sagt: „Wenn unser Wert in Gefahr ist, fangen wir an, dafür zu kämpfen.“
Um deine Werte zu erkennen, frage dich:
- Was ist dir im Leben wirklich wichtig?
- Wofür setzt du dich ein?
- Welche Verhaltensweisen sind dir bei dir selbst oder anderen wichtig?
Ein Beispiel: Pünktlichkeit war mir früher heilig, weshalb ich mit Unpünktlichkeit nicht gut umgehen konnte. Heute bin ich sehr viel entspannter, aber immer noch selten unpünktlich.
Zwei Fragen, die uns Andrea Maria mitgegeben hat, begleiten mich seitdem:
- Wie kann ich meine Werte heute leben?
- Habe ich meine Werte heute gelebt?
Überraschung: Meine Werte haben sich verändert!
Durch den Fokus auf nur drei Werte wurde mir bewusst, wie stark sich meine Werte verändert haben. Ich hatte Werte gelebt, die mir als solche überhaupt nicht bewusst waren – wie zum Beispiel Anpassungsfähigkeit.
Ich habe immer Menschen bewundert, die kompromisslos ihren Weg gehen, während ich versuchte, ein angepasstes, und möglichst gesellschaftlich akzeptiertes Leben zu führen. Rückblickend erkenne ich, dass meine Anpassung ein Schutzmechanismus war. Wo ich das schreibe, wird mir bewusst, dass ein wahrhaft authentisches Leben schlecht zu einer hohen Anpassungsfähigkeit passt.
Vermutlich war mir deshalb der Wert Mut so wichtig. Denn jeder Schritt raus aus der Anpassungsfähigkeit forderte viel Mut.
Während ich mich mit den Werten auseinandersetzte, wurde mir klar, dass mir der Wert Flexibilität inzwischen mehr entspricht. Er trägt dieselbe Stärke in sich, jedoch ohne die Schwere der Anpassung.
Meine 3 wichtigsten Werte
Jeder interpretiert Werte auf seine ganz eigene Weise – durch die Brille seiner Biografie und Erfahrungen. Das hier sind aktuell meine drei wichtigsten Werte:
Wirksamkeit
Mit dem, was ich tue, etwas zu bewirken, hat für mich eine hohe Priorität. Jetzt verstehe ich auch, weshalb mich immer interessiert, was das, was ich schreibe, sage oder mache, ausgelöst oder verändert hat.
Wirksamkeit bedeutet für mich, Veränderung zu initiieren oder ein Ergebnis zu erreichen, das einen Wandel auslöst.
Wirksamkeit ist für mich gleichbedeutend mit Erfolg und Glück. Wenn etwas durch mein Tun klarer, verständlicher oder leichter wird, erfüllt mich das mit Sinn.
Deshalb liebe ich Erkenntnisse, denn sie führen meist zu neuen Sicht- und Handlungsweisen.
Es geht dabei nicht immer um die großen Dinge. Wirksamkeit spüre ich, wenn ich durch etwas inspiriert werde. Durch einen Satz, ein Wort, etwas, was ich lese oder höre. Wenn ich jemanden zum Staunen oder zum Lächeln bringen kann. Oder wenn ich jemanden überrasche – im positiven Sinn. All das ist für mich Wirksamkeit.
Dabei geht es nicht um Effizienz, sondern um Schöpferkraft. Etwas Neues entstehen zu lassen, dranzubleiben, zu reflektieren – und immer wieder zu lernen. Wirksamkeit heißt für mich, Verantwortung für die eigene Gestaltungskraft zu übernehmen – und dadurch Sinn, Freude und Selbstbestimmung zu erleben.
Inneres Wachstum
Als Scannerpersönlichkeit interessiere ich mich für vieles – doch der rote Faden in meinem Leben ist inneres Wachstum und persönliche Entwicklung.
Inneres Wachstum bedeutet für mich, mich selbst zu reflektieren und Erfahrungen bewusst zu nutzen, um daraus zu lernen. Das stärkt das Selbstvertrauen, die Resilienz und führt zu innerer Freiheit.
Wachstum ist für mich kein Ziel, sondern ein Weg. Ein Prozess, der mich immer wieder auffordert, neue Perspektiven einzunehmen, neue Fähigkeiten zu entfalten und Altes loszulassen.
Je mehr ich wachse, desto gelassener, klarer und bewusster werde ich – und desto größer wird mein innerer und äußerer Handlungsspielraum. Das Leben wird zum Übungsfeld, auf dem ich mich selbst erkenne und weiterentwickle.
Authentizität
Je tiefer ich mich mit diesem Wert beschäftige, desto klarer wird mir, dass sich mein ganzes Leben um Authentizität dreht. Aus der Anpassung in ein authentisches und wahrhaftiges Leben.
Ich habe ein sehr feines Gespür dafür, was andere erwarten, und habe mich oft angepasst, um dazuzugehören. Aus Angst, aus Schutz, oder was auch immer. Leider habe ich mich dabei von mir selbst entfernt und den Kontakt zu mir verloren.
Authentisch zu leben heißt für mich, echt zu sein: ehrlich, unverstellt, wahrhaftig. Mir selbst treu zu bleiben – auch wenn das unbequem ist.
Lange habe ich zwei Seiten gelebt: die Angepasste im Außen und die Rebellin im Inneren. Sie verschmelzen immer mehr, ich zeige mich, wie ich bin – und das fühlt sich leicht an.
Ja, Authentizität ist herausfordernd. Sie verlangt Mut, Grenzen zu setzen und sich selbst einzustehen. Gleichzeitig schafft sie Tiefe und es kommen die Menschen in mein Leben, die wirklich zu mir passen. Und wenn ich mit meiner Authentizität andere berühren oder inspirieren kann, erfüllt mich das zutiefst. – das ist für mich gelebte Wirksamkeit.
Fazit
Die Reise zu meinen drei wichtigsten Werten war berührend und sehr erkenntnisreich. Ich sehe klarer, warum ich mit manchen Menschen sofort in Resonanz gehe und mit anderen nicht. Und ich verstehe, warum Werte unser Leben so stark prägen: Sie sind Wegweiser, Spiegel und Antrieb zugleich.
Ich werde auch weiterhin im Alltag prüfen, ob ich meine Werte wirklich lebe – mitten im Trubel, mitten im Leben. Denn jedes bewusste Innehalten führt zu mehr Echtheit, Tiefe und Freude.
Und wer weiß, vielleicht erkenne ich unterwegs noch weitere Werte, die gelebt werden wollen.
➡️Wie ist das bei dir?
Kennst du deine Werte? Wie gelingt es dir, sie im Alltag zu leben?














Ein wunderschöner Artikel, liebe Marita.
Dein:
„Das Einlassen auf den Prozess, das Finden eines Weges und das Experimentieren damit. „
Genau zu dem Punkt kam ich kürzlich auch, obwohl ich an einer ganz anderen Ecke gestartet war als du.
Mir ging es darum, zu erklären, wie man aus der Ich-muss-Falle heraus kommt. Nämlich genau so: Statt sich auf ein Ziel zu fokussieren und sich darin festzubeißen, es als Experiment zu sehen und neben dem Ziel auch links und rechts des Weges zu schauen, welche Erfahrungen und Erkenntnisse dort bereit liegen.
Liebe Grüße, Sabine
Danke, liebe Sabine,
ist nicht jede Veränderung ein experimenteller Prozess, schon alleine deshalb, weil wir nicht wirklich wissen, wie sich das Ziel am Ende zeigen wird 😉 ?
Danke fürs Lesen!
Marita
Ich erkenne mich in vielem selbst wieder – z.B. die Anpassungsfähigkeit, die Fluch und Segen zugleich ist. Und es ist wirklich schwer, sich aus den endlos vielen Werten wirklich auf nur ganz wenige zu reduzieren. Aber ein Kompass mit 15 Richtungen hilft halt auch nicht wirklich weiter. Für mich stehen Gelassenheit und Genügsamkeit in meiner aktuellen Lebensphase ganz oben. Die Nummer Drei ändert sich dagegen im 5-Minuten-Takt. Ich kann mich über Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit ärgern. Ungerechtigkeit bringt mich auf die Palme und Übergriffigkeit/Gewalt gegen Schwächere lässt den Puls durch die Decke gehen. Da ist es dann sogar mit der Gelassenheit vorbei – aber geht das nicht fast jedem so?
Auch wenn man sich nicht festlegt, finde ich es doch schön und hilfreich, sich mal mit den eigenen Werten zu beschäftigen. Man lernt doch einiges über sich selbst, auch wenn das manchmal unbequem ist.
Liebe Grüße!
Vielen Dank für Deine Gedanken, liebe Vanessa!
Ich kann das total gut verstehen und denke, dass sich die Werte in den verschiedenen Rollen unterschiedlich zeigen können. Die sind ja nicht in Stein gemeiselt, schon alleine deshalb, weil wir ständig neue Erfahrungen machen und das auch unsere Werte verändert.
Ich würde sagen: Werde bleiben ein Dauerbrenner, aber ich fand den neuen Blick darauf sehr spannend.
Liebe Grüße,
Marita