Eins gleich vorweg: ich bin froh, dass ich keine 20 mehr bin. Ich war so schrecklich unsicher, unerfahren und hatte noch einen Rucksack voller Themen. Inzwischen ist vieles davon gelöst und geheilt und tatsächlich bin ich heute eine ganz andere als damals. Das schlimmste Kompliment für mich ist tatsächlich der Satz: „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“ Schrecklich. Ich bin heilfroh, dass ich mich ständig verändere. Im Rahmen einer Blockbarade bin ich nochmal in der Zeit zurückgereist, um mit meinem Teenie-Ich zu sprechen.

Ich öffne die Tür zu meiner Vergangenheit

Wenn ich an meine Vergangenheit denke, fällt mir als zuerst die Zeit ab zwanzig ein. Sie war intensiv und herausfordernd, aber auch voll neuer Entwicklungen – vor allem in mir selbst. Ich war kein sehr aufmüpfiges „Pubertier“ und werde das Gefühl nicht los, dass meine Pubertät erst viele Jahre später stattfand, als ich in der Firma der Eltern arbeitete. Aber wir wollen ja noch weiter zurückgehen.

Wie ich als Teenager war

Ich musste erst mal schauen, wie sich die Teenager-Zeit definiert. Es ist die Zeit zwischen 13 und 19 Jahren. Also gut. Als Teenager war ich ein stilles, schüchternes und sensibles Mädchen. Ich war eher ängstlich als mutig und gehörte zu denen, die sich in der Schule nichts zu sagen trauten. Ich mochte meine Rolle im Hintergrund und war eine Mitläuferin. Das minimierte das Risiko, angesprochen zu werden. Kunst und Werken/Handarbeiten gehörten zu meinen Lieblingsfächern, den Rest habe ich pflichtbewusst – und ohne besondere Vorkommnisse – über mich ergehen lassen.

Wenn ich zurückblicke, sehe ich mich in meinem Jugendzimmer, an einem der beiden (ja, ich hatte zwei) Schreibtische sitzend. Ich schreibe Briefe, male, bastle, mache irgendetwas Kreatives. Wenn ich daran denke, steigt ein wohlig warmes Gefühl in mir auf. Am Schreibtisch sitzend, habe ich mich schon damals Zuhause gefühlt und jegliches Zeitgefühl verloren.

Wie ich wurde was ich bin 1981

Das Schreibwarengeschäft war mein 2. Zuhause

Was mich sicher besonders prägte, war die Tatsache, dass die Firmen meiner Eltern ebenfalls mit im Haus waren. Ich war viel im Schreibwarengeschäft meiner Mutter, um nach der Schule mitzuhelfen. Ich packte neue Waren aus, räumte sie in die Regale, stand an der Kasse und freute mich, wenn ich einen Kunden beraten und Geschenke verpacken konnte. Wenn ich an die Zeit im Geschäft meiner Mutter denke, wird mir ganz warm ums Herz. Ich habe all die schönen Dinge geliebt und war gerne dort. Interessanterweise war ich dort alles andere als still und zurückhaltend.

Ich hatte viel Freiheit als Teenager

Mein Bruder und ich, wir waren beide sehr früh selbstständig, denn natürlich stand die Firma im Mittelpunkt. Schließlich war sie die existenzielle Grundlage der Familie. Meine Eltern arbeiteten sehr viel, was aber nicht schlimm war, denn es ermöglichte mir unglaublich viel Freiheit. Solange ich „anständig“ war und meine Mutter wusste, wo ich bin, durfte ich alles machen. Sie wusste, dass sie mir vertrauen konnte. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter den ganzen Tag um mich herumgeschwänzelt wäre, wird mir ganz gruselig zumute. Bis heute habe ich ein großes Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit.

Das Dorfleben war mir viel zu eng

Als Teenie fand es schrecklich, dass mich das halbe Dorf kannte und ich „unter Beobachtung“ stand. Da war es gerade recht, dass ich aufgrund meiner Konfession in einer Klasse von Schülern aus anderen Orten gelandet war und die meisten Freunde im Umland wohnten. Da wundert es mich im Nachhinein nicht, dass ich schon kurz nach meiner Ausbildung in halb Deutschland unterwegs war, um Seminare zu besuchen. Ich war auf der Suche nach geistiger Weite.

Was ich im Rückblick erkenne

Wenn ich heute auf all diese Erinnerungen blicke, mischt sich freudiges Staunen mit etwas Traurigkeit. Traurigkeit darüber, dass ich damals mit vielem alleine war und Staunen über meine innere Klarheit und Stärke. Letzteres war mir tatsächlich nicht bewusst. Ich habe zwar gelernt – und vielleicht entspricht es auch meinem Typ – Dinge mit mir alleine auszumachen, aber inzwischen weiß ich natürlich, wie wichtig gemeinsame Zeit ist und ein vertrauensvoller – von Verständnis geprägter – Austausch. Meine Eltern hatten dafür kaum Zeit, aber sie gehören auch zu den Kriegskindern und Emotionalität war und ist nicht so ihr Ding.

Obwohl ich mich sehr schüchtern, sensibel und hochanpassungsfähig in Erinnerung habe, erkenne ich im Rückblick, wie entschlossen und klar ich doch war. Mit 14 habe ich meine erste berufliche Entscheidung getroffen. Sie wirkte sich nachhaltig auf mein Leben aus, denn sie hatte zur Folge, dass das Schreibwarengeschäft – und damit meine geplante Zukunft – verkauft wurde.

Was ich meinem Teenie-Ich gewünscht hätte

Als Teenager hält man sich für superschlau und hat doch keine Ahnung von der Welt. Es hätte mir gutgetan, jemanden an der Seite zu haben, der mir hilft, all das Zeug in meinem Kopf zu sortieren. Mit dem ich offene und vertrauensvolle Gespräche hätte führen können und der/die mich bestärkt hätte, meinen Weg zu gehen. Der mir vielleicht geraten hätte, ein Buch zu lesen, um meinen Horizont zu erweitern. Ich habe diese Menschen erst mit zwanzig kennengelernt, als mein Leben herausfordernd wurde und ich alleine nicht mehr zurechtkam.

Beim Ziel, Grafik Designerin zu werden, hätte ich Unterstützung gebraucht. Um Wege zu finden, dieses Ziel vielleicht doch noch zu verwirklichen – den kritischen Stimmen zum Trotz. Die Fähigkeiten dazu hatte ich. Meinem Teenie-Ich würde ich sagen, dass die sensible, zurückhaltende und feinfühlige Art ist völlig in Ordnung – und sogar wunderbar ist. Ich würde ihr sagen, wie liebenswert sie ist und dass sie alles hat, um ein glückliches Leben zu führen. Ich würde ihr gerne ganz viel Mut machen und ihr die Stärken und Talente, die sie hat, bewusst machen. Und ihr immer wieder sagen, wie wunderbar sie ist.

Dass ich eine stark introvertierte Seite habe, habe ich erst vor ungefähr zehn Jahren durch das Buch von Susan Cain herausgefunden. Das Wissen darüber, hätte mir das Leben leichter gemacht und ich hätte mich so, wie ich bin, besser akzeptieren können. Aber das Leben ist wie es ist…

Wow! Was für eine besondere Reise. Mir war tatsächlich nicht bewusst, wie schön die Zeit im Schreibwarengeschäft für mich war. Ich hatte beim Schreiben Tränen in den Augen. Ich danke der lieben Lorena für die Einladung zu dieser Zeitreise.

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