Wenn ich über eine Schwäche nachdenke, die gleichzeitig eine Superkraft ist, fällt mir sofort meine Vielseitigkeit ein. Aber darüber habe ich schon genug geschrieben. Allerdings gibt es eine andere Eigenschaft, die ich im Moment noch als eine große Schwäche empfinde. Ob sie vielleicht doch eine Superkraft ist, oder sich zumindest als eine Stärke entpuppt, will ich heute herausfinden. 😉

Welche Eigenschaft ich als Schwäche empfinde

Ich finde Perfektionisten anstrengend. Vor allem, wenn eine gewisse Zwanghaftigkeit mit im Spiel ist. Aber es gibt ein Thema, da erblasse ich vor Neid: Aufräumen und Ordnung halten.

Denn ich bin eine Chaosqueen.

Mit meiner oberflächlichen Unstrukturiertheit kann ich jeden Perfektionisten mit Leichtigkeit in den Wahnsinn treiben. 😉

Ich wäre gerne sehr viel ordentlicher, aber ich befürchte, dass ich das (leicht perfektionistische) Ideal in meinem Kopf wohl nie erreichen werde. Ich sollte damit aufhören, einer Vorstellung nachzujagen, die ich im derzeitigen Alltag sowieso nicht erreichen kann.

Es gibt sie ja (vor allem auf Social Media), diese Menschen, mit den perfekt aufgeräumten Wohnungen, Büros oder Häusern. Die immer, egal wann man sie betritt, perfekt aufgeräumt, ordentlich und vielleicht sogar noch wunderschön dekoriert sind.

Ich finde das sensationell, denn ich bin von diesem Ideal Lichtjahre entfernt.

An der Stelle bin ich wie ein Kind, 🙈 denn ich kann das Chaos um mich herum wunderbar aushalten. Offensichtlich fühle ich mich darin sogar wohl, sonst wäre es auf meinem Schreibtisch sehr viel ordentlicher. Ich gebe zu, dass ich mich damit unwohl fühle und es ist mir auch peinlich. Na ja, zumindest ein bisschen. 😉

Mein Schreibtisch, während ich diesen Blogartikel schreibe.

Mein Schreibtischchaos ist legendär

Ich hatte in meinem Kinderzimmer zwei Schreibtische und ein Sofa. Die Ansage meiner Mutter war klar und deutlich: „Es ist mir egal, wie es in Deinem Zimmer aussieht, aber wenn der Boden nicht frei ist, saugst du dein Zimmer selbst“.

Bei mir herrschte Dauerchaos. Auf den Schreibtischen und dem Sofa kreativer Kram, Unmengen von Papierstapeln und Bastelzeug. Von den Klamotten will ich gar nicht erst reden. Typisch Teenager. Aber es gibt noch einen Satz, den ich wohl von meiner Mutter, die übrigens einen sehr ordentlichen Haushalt führte, übernommen habe: Es ist wichtiger, dass ich im Geschäft stehe und Geld verdiene, als dass man vom Fußboden essen kann. Damit waren die Prioritäten für sie klar und für mich sind sie das offensichtlich auch. 😆

Ich bin ein Augentierchen

Das bedeutet, dass ich Dinge, die ich nicht sehe, vergesse. Aus den Augen, aus dem Sinn. Das kann bei wichtigen oder dringenden Aufgaben ziemlich unangenehm werden. Wenn ich zum Beispiel morgens, wenn ich das Haus verlasse, etwas mitnehmen muss, lege ich es am Vorabend an die Eingangstüre. Johannes wusste das zu Beginn unserer Ehe nicht, und meine Strategie ging ordentlich in die Hose. 😫🙈 Inzwischen hat er sich daran gewöhnt. Er fragt mich, bevor er etwas wegräumt.

Alle wichtigen und dringenden Aufgaben liegen deshalb sichtbar AUF meinem Schreibtisch oder sauber geordnet auf dem Boden neben meinem Schreibtisch. Aber das ist ja noch nicht alles. Während des Tages kommen dann noch diverse Bücher, Notizbücher, Stifte, Farben, Tassen und vieles mehr dazu. Das ist, als hätte ich auf dem Rechner unendlich viele Tabs offen. Falls du mir an der Stelle zu Mappen, Ablagefächer oder ähnlichem raten möchtest, vergiss es! Das ist absolut tödlich für mich, dann kann ich die Sachen auch gleich in den Papierkorb werfen. Es hat den gleichen Effekt. Leider.

Strukturierte Chaosqueen

Auf den ersten Blick ist mein Schreibtisch chaotisch und unordentlich. Falls du jetzt glaubst, dass ich deshalb keinen Überblick habe, muss ich dich enttäuschen. Ich weiß ganz genau, wo was liegt. Im Gegensatz zu meinem super ordentlichen Mann, der trotz Ordnung ständig am Suchen ist. 😂 Ich scheine eine Art visuelles Gedächtnis zu haben. Wenn du mich nach etwas fragst, finde ich es sofort. Diese Fähigkeit verhindert, dass etwas verloren geht oder ich einen Termin verpatze. Und tatsächlich funktioniert diese Strategie.

Ich scheine dieses Chaos zu brauchen, um gut arbeiten zu können.

Dass ich mich vom Chaos nicht vom Arbeiten abbringen lasse, sollte spätestens jetzt klar sein. Im schlimmsten Fall weiche ich auf einen anderen Tisch aus, oder ich schiebe einfach ein paar Sachen zur Seite, und schon kann es weitergehen.

Mir fällt gerade ein, dass ich zu diesem Thema sogar mal einen Blogartikel geschrieben habe: Wie ich als „kreative Chaotin“ meine Aufgaben und Termine organisiere. Du siehst, das Thema ist ein Dauerbrenner. 😉

Geheime Strukturen

Ob du es glaubst oder nicht, an Allgemeinplätzen, die auch andere benutzen, bin ich ordentlich. Mein Hirn scheint an der Stelle zu unterscheiden. Außerdem kann ich mein Schreibtischchaos innerhalb von Minuten auflösen, denn in meinen Schränken und Schubladen gibt es eine geheime – und sehr penible – Ordnungsstruktur. Hätte ich den Platz, dann würde ich Stifte vermutlich noch nach Farben sortieren. Meine Ablage – egal ob digital oder analog – hat eine Struktur, in der sich jeder andere zurechtfinden kann. An der Stelle bin ich echt gut.

Jage ich einem Phantom hinterher?

Ich weiß nicht, ob ich meine kreative Arbeitsweise als Superkraft bezeichnen würde, denn am Ende des Tages hätte ich es, besser gesagt mein Kopf, es gerne ordentlicher.

Woher kommt eigentlich diese vermeintlich ideale Vorstellung von Ordnung, die mir das Gefühl gibt, eine Chaotin zu sein?

Ich meine, welcher Schreibtisch sieht, wenn man gerade an etwas arbeitet, schon ordentlich aus? Natürlich habe ich, wenn ich in Büros von Unternehmen gearbeitet habe, abends meinen Schreibtisch aufgeräumt. Aber ich arbeite ja Zuhause. Warum soll ich, wenn ich noch mitten im Arbeitsprozess stecke, meinen Schreibtisch aufräumen?

Okay, es sieht einfach schöner aus, auch für die anderen. Aber weißt du was? Ich bin schlichtweg zu faul, das zu tun. Oft verliere ich während des Arbeitens das Zeitgefühl. Wenn Johannes dann nach Hause kommt, mache ich das Wichtigste noch fertig und dann Feierabend, um am nächsten Morgen daran weiterzuarbeiten. Es scheint, als hätte ich bisher einem Phantom hinterhergejagt.

Kleiner Test: Nach 10 Minuten war der Schreibtisch aufgeräumt.

Welche Superkraft steckt in der Chaosqueen?

Wenn ich alle Vorstellungsbilder von Ordnung zur Seite schiebe, mich nicht mit anderen vergleiche, mich nicht verurteile, sondern aufs Ergebnis schaue, dann funktioniert die Strategie der „Chaosqueen“ ganz wunderbar.

Denn tatsächlich verliere ich, egal, mit wie vielen Aufgaben ich gerade jongliere, nie den Überblick. Manchmal muss ich die Dinge grob strukturieren, um mich wieder gut zu fühlen, aber das ist auch schon alles. Denn was hier herumliegt, ist nichts anderes als meine „noch zu erledigenden“ Aufgaben und Projekte. Das ist kein Ablagekram, das sind Aufgaben. Work in process sozusagen.

Maler im Atelier arbeiten auch parallel an mehreren Werken. So ähnlich ist das bei mir auch.

Als vielseitig Interessierte ziehe ich neue Themen an wie das Licht die Mücken. Ich schreibe an einem Blogartikel, recherchiere kurz im Internet und – Zack! – lande ich beim nächsten Thema. Ich lese ein Buch, schreibe mir eine Passage ab, recherchiere das kurz, fange dazu einen Blogartikel an, werde unterbrochen und widme mich einem anderen Thema.

Ich springe von einer Inspiration zur nächsten.

Wenn das mal keine Fähigkeit ist!

Wenn ich eins kann, dann „geistiges Sackhüpfen“. Wer schon mal ein paar Stunden mit mir verbracht hat weiß, wovon ich spreche. 😂 Tatsächlich verliere ich mich unterwegs nicht, sondern finde immer wieder den Weg zurück zu den einzelnen Themen.

Ich würde das mal als Umdenken, Querdenken und über den Tellerrand schauen bezeichnen.

Das ist hochgradig kreativ!

Und by the way eine der wichtigsten Fähigkeiten in einer sich ständig wandelnden Welt. Tatsächlich entdecke ich Verbindungen, wo andere noch nicht einmal auf die Idee kämen, dass da überhaupt eine sein könnte. Ich vernetze altes und aktuelles Wissen und lasse daraus Neues entstehen. Neue Ideen, neue Möglichkeiten und neue Erkenntnisse. Es gibt für mich keine gedanklichen Grenzen. Für mich ist erst mal alles möglich. Und zwar so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist. Meine Hauptaufgabe besteht darin, diese unendlich vielen Gedanken zu sortieren und zu ordnen.

Was chaotisch wirkt, ist vielleicht nur ein Ausdruck von vernetztem Denken.

Fazit

Durchs Schreiben wurde mir klar, dass ich meine intuitive und chaotische Vorgehensweise deshalb so negativ bewerte, weil ich mich mit anderen vergleiche. Das kann nur schiefgehen! 🙈 Ja, ich hätte es auch gerne ordentlicher. Vorzeigbarer. Aber ich jongliere einfach mit zu vielen Bällen. 🤷‍♀️ That’s it.

Außerdem darf ich Chaos nicht mit schmutzig oder unordentlich gleichsetzen.

Da gibt es einen kleinen, aber feinen Unterschied. Ich werde nie pedantisch sauber oder ordentlich sein, schließlich ist unser Zuhause kein Museum.

Ich wollte gerade schreiben, dass es ein Platzproblem sein könnte, aber das stimmt nicht. Johannes‘ Schreibtisch ist sogar kleiner als meiner und sehr viel ordentlicher 😄 Lassen wir das. 🙈

Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre das ein großes Büro, mit einem großen Tisch in der Mitte und ringsherum Schubladenschränke in Küchenarbeitsplattenhöhe (schreibt man das so?). Dann hätte ich genügend Ablagefläche für meine Aufgaben und Projekte – ich sag‘ nur „Augentierchen – und noch mehr Platz, um alles schön zu sortieren.

Ich weiß nicht, ob ich meine Schwäche als Superkraft bezeichnen würde, aber im Moment finde ich mein kreatives Chaos zumindest nicht mehr peinlich und das ist doch schon mal was.

Vielen Dank, liebe Vanessa, für die Einladung zur Blogparade „Meine Schwäche – meine Superkraft“. Noch mehr Blogparaden findest du bei Judit Peters.