Was bedeutet Erfolg für mich? Wochenlang bin ich um diese Frage herumgeschlichen, ohne eine greifbare Antwort zu finden. Das Wort „Erfolg“ wirkt so groß und mächtig an wie Liebe, Erfüllung, Glück & Co. Schöne Begriff, die alles und gleichzeitig nichts sagen, weil sie fast schon inflationär verwendet werden. Und dann las ich den Satz: „Ein erfolgreiches Leben ist ein mutiges Leben“. Bäm! Damit konnte ich etwas anfangen. Ich nehme dich mit auf die Suche nach meiner persönlichen Definition von Erfolg. Wir beginnen in meiner Kindheit – mit einer Erinnerung, die mich lange geprägt hat.
Neid ist eine besondere Form der Anerkennung
Dass Erfolg Neid auslösen kann, habe ich früh erfahren. Ich bin in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen: Meine Eltern haben das Schreibwarengeschäft und die Druckerei mit viel Fleiß aufgebaut – entsprechend erfolgreich waren sie.
Der Satz „Ihr seid ja reich!“ kam vermutlich von einer Mitschülerin, und er traf mich hart. Ich erinnere mich nicht mehr genau an die Szene, aber ich trug wohl etwas Neues. Ab diesem Zeitpunkt lief ich nur noch in Klamotten herum, die nicht recht zusammenpassten. Das ging so weit, dass meine Mutter sich weigerte, mit mir einkaufen zu gehen. Dieser eine Satz nistete sich lange in meinem Kopf ein. Ich schämte mich für das, was wir hatten, stapelte tief und passte mich noch mehr an – typisch Teenager.
Tatsächlich waren meine Eltern nicht reich, sondern fleißig, bodenständig und erfolgreich. Mein Vater versuchte, mir die Aussage zu erklären, doch es änderte nichts an meinem Gefühl. Aus Angst vor Ausgrenzung wurde ich zur Tiefstaplerin.
Welche Bilder in meinem Kopf entstehen, wenn ich an Erfolg denke
Wenn ich das Wort Erfolg höre, tauchen vor meinem inneren Auge sofort männliche Top-Performer mit den entsprechenden Statussymbolen auf – die weibliche Version ist nicht viel anders. Und das, obwohl ich viele alternative Beispiele kenne.
Mich demotivieren diese Bilder mehr, als dass sie mich motivieren. Status interessiert mich nicht. 80-Stunden-Woche ohne Freude? Nein, danke. Schauen wir kurz, wie Duden das Wort Erfolg definiert:
Erfolg: Positives Ergebnis einer Bemühung
Laut Johann Christoph Adelung stammt es vom Verb „erfolgen“ ab, das die Folge, Konsequenz oder den Effekt des Handelns beschreibt. Einfach, unspektakulär und frei von Bewertungen. Spannend, wie sehr persönliche Erfahrungen die Wahrnehmung prägen.
Der Fokus entscheidet, wie erfolgreich ich mich fühle
Würdest du mich spontan fragen, würde ich vermutlich mit „Nein!“ anworten, weil ich auf Baustellen schaue. Auf die Ziele, die ich noch nicht erreicht habe. Das ist ja interessant: Der Fokus macht das Gefühl. Worauf ich schaue, bestimmt meine Bewertung.
Warum ich mich (manchmal) nicht erfolgreich fühle
Nach gängigen Maßstäben passe ich nicht ins Schema: keine Kinder, kein Haus im Grünen, wenig Urlaube, kein Studium, kein Karrierepfad im Konzern. Alles Themen, über die ich am Stammtisch nichts besonderes zu erzählen hätte. Mein Coaching-Business habe ich an den Nagel gehängt, und als Business-Mentorin im Network Marketing ernte ich verwunderte Blicke statt Schulterklopfen. Da sind sie wieder, die gesellschaftlichen Normen, aus denen die Bilder in meinem Kopf gemacht sind.
Oder bin ich vielleicht doch erfolgreich?
Trotz allem fühle ich mich in vielem erfolgreich – auch wenn noch nicht alles meinem Ideal entspricht. Schaue ich auf die „positiven Ergebnisse meiner Bemühungen“, dann sehe ich:
- Ich weiß, wer ich bin, was mich ausmacht – und ich mag mich.
- Ich kenne meine Werte (Offenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit)
- Ich kann klar und zügig entscheiden und habe eine verlässliche Intuition.
- Ich habe jede schwierige Phase als Wachstumschance genutzt und nicht aufgegeben.
- Mein Ziel ist innere Freiheit – und ich komme ihr immer näher.
Ich erkenne, dass mich die herausfordernden Erfahrungen stark, selbstbewusst und freier gemacht haben.
Und wie sieht es mit dem beruflichen Erfolg aus?
„Wenn wir über Scheitern sprechen, müssen wir über Erfolg reden.“ – der Satz wirkt in mir nach. Von außen wirkt mein Lebenslauf unspektakulär, die entscheidenden Entwicklungen passierten hinter den Kulissen. Als das Unternehmen meiner Eltern kurz vor dem Konkurs stand, haben mein Bruder und ich es neu ausgerichtet – mit allem was dazugehört. Dafür gibt es im Mainstream-Denken wenig Applaus, doch ich bin stolz darauf.
Bis ich mein großes Ziel, als Coach zu arbeiten, verwirklichen konnte, dauerte es rund zwanzig Jahre. ich war damit erfolgreich, doch die erhoffte dauerhafte Freude blieb aus – aus unterschiedlichen Gründen. Ich ließ los und merkte: Mentoring erfüllt mich mehr. Nichts war umsonst, mein Know-how fließt einfach in eine andere Aufgabe.
Wie ich meinen Erfolg als Frau definiere
Meiner Mutter war es immer wichtig, dass ich als Frau meinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, denn sie selbst hatte keine Berufsausbildung gemacht. Vielleicht sind deshalb Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit und Freiheit zentral wichtig. Heute würde man meine Mutter als Karrierefrau bezeichnen. Sie war die Macherin im Hintergrund, denn sie hat uns Kinder großgezogen, beide Unternehmen mit aufgebaut, Finanzen verantwortet, mit Banken verhandelt und schwierige Gespräche geführt. Sie war der Kopf des Unternehmens – genauso wie meine Schwiegermutter.
Ein erfolgreiches Leben ist ein mutiges Leben
Was ist also Erfolg? Durchs Schreiben wurde mir bewusst: Erfolg eine Frage der Definition ist. Ich entscheide, ob ich mich erfolgreich fühle. In manchen Bereichen ja, in anderen noch nicht – und das wandelt sich ständig.
Für mich ist ein erfolgreiches Leben ein gelingendes Leben.
Ein mutiges Leben. Mut, weil Erfolg immer stetige Veränderung bedeutet, Neues zu wagen, Altes loszulassen und sich von nichts und niemandem aufhalten zu lassen. Vielleicht ist das mein roter Faden: offen bleiben, mutig sein und mich immer wieder neu aufs Leben einlassen – und mich in all dem Wandel stark und sicher fühlen.
Wie definierst du Erfolg für dich? Ich freue mich auf deinen Kommentar.














Respekt Marita vor dieser Offenheit und von dem so schwierigen Thema „ERFOLG“ – ich habe diesen Text in einem Atemzug zu Ende gelesen und jeden Satz gefühlt, verstanden und ausgekostet. Du bist eine Inspirationsquelle und ich schätze Deine Meinung, Einstellung und Haltung – jetzt vorwiegend dem „Erfolg“ gegenüber. Danke!
Ganz lieben Dank fürs Lesen und Deinen ausführlichen Kommentar, liebe Justyna. Ich freue mich, dass er Dir gefällt und – ja – er ist intensiver geworden, als ich mir das vorgestellt hatte.
Liebe Grüße,
Marita
Liebe Marita,
Dein Blogartikel ist sehr interessant und sehr ehrlich, ich mag das sehr, denn das holt mich ab, da, wo ich als Frau in meinem sich verändernden Berufsleben stehe. Das Thema Erfolg ist für mich doch irgendwie noch sehr dem Männlichen zugeordnet. Aber genau, was definiert Erfolg eigentlich? Eine Freundin sagte gerade zu mir, dass wir Frauen, die sich mutig auf ihren Weg gemacht haben, sich doch auf ihrer eigenen Heldinnen-Reise befinden. Und dazu gehören die Rufe nach Veränderung und eben auch die eigene Drachenhöhle der Prüfungen. Ich danke Dir für diesen Mut machenden Beitrag!
Alles Liebe von Anke