Was bedeutet Erfolg für mich? Wochenlang bin ich um diese Frage herumgeschlichen, ohne wirklich eine Antwort zu finden. Das Wort „Erfolg“ fühlt sich so groß und mächtig an wie Liebe, Erfüllung, Glück & Co. All diese wunderbaren Worte, die fast schon inflationär verwendet werden, sagen alles und gleichzeitig nichts. Also was tun? Und dann las ich irgendwo diesen Satz: „Ein erfolgreiches Leben ist ein mutiges Leben“. Bäm! Das ist mal eine Aussage! Ich nehme dich einfach mal mit auf die Suche nach meiner ganz persönlichen Definition von Erfolg. Wir beginnen in meiner Kindheit, denn mir ist gerade eine Geschichte eingefallen.
Neid ist eine besondere Form der Anerkennung
Dass Erfolg neidisch macht, habe ich schon sehr früh erfahren. Es gibt ein Erlebnis, das mich sehr lange prägte und in diese Kategorie passt. Ich bin in einer Unternehmerfamilie groß geworden. Meine Eltern gründeten zwei Unternehmen, ein Schreibwarengeschäft und eine Druckerei. Und weil sie recht fleißig waren, waren sie damit auch erfolgreich.
Der Satz „Ihr seid ja reich!“ kam vermutlich von einer Mitschülerin. Ich kann mich leider nicht mehr an die Situation erinnern, aber ich gehe davon aus, dass ich was Neues trug, denn ab diesem Zeitpunkt lief ich nur noch in Klamotten herum, die nicht recht zusammenpassten. Das ging so weit, dass sich meine Mutter sogar weigerte, mit mir Klamotten einkaufen zu gehen! Dieser eine verd*** Satz nistete sich ziemlich lange in meinen grauen Zellen ein. Ab dem Zeitpunkt fühlte ich mich wie eine Ausgestoßene. Ich wurde vorsichtig und passte mich noch mehr an. Typisch Teenager eben.
Meine Eltern waren alles andere als reich, sie waren (und sind) fleißige, bodenständige und erfolgreiche Unternehmer. Ich erinnerte mich noch daran, wie mir mein Vater zu erklären versuchte, wie diese Aussage gemeint war, aber das änderte nichts. Ich schämte mich für das, was wir hatten. Ich wurde zur Tiefstaplerin, um nicht noch mehr ausgegrenzt zu werden.
Welche Bilder in meinem Kopf entstehen, wenn ich an Erfolg denke
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich an das Wort Erfolg denke, entstehen in meinem Kopf sofort die Bilder von mega erfolgreichen Menschen – vorzugsweise Männern – mit den dazugehörigen (allemeingültigen) Statussymbolen. Mit der weiblichen Version geht es mir nicht sehr viel anders. Und das, obwohl ich genügend andere Beispiele kenne. Ist das nicht gruselig?
Mich demotivieren diese Bilder mehr, als dass sie mich motivieren. Status interessiert mich nicht und ich habe auch keine Ambitionen, 80 Stunden pro Woche zu arbeiten. Hatte ich noch nie. Nicht mal im eigenen Unternehmen. Laß uns doch mal schauen, wie der Duden das Wort Erfolg definiert:
Erfolg: Positives Ergebnis einer Bemühung
Laut Johann Christoph Adelung stammt es vom Verb „erfolgen“ ab, das die Folge, Konsequenz oder den Effekt des Handelns beschreibt. Ganz einfach, völlig unspektakulär – und frei von irgendwelchen Bewertungen oder Bildern im Kopf. Das sieht man mal wieder, welchen Einfluss die eigenen Erfahrungen haben.
Der Fokus entscheidet darüber, wie erfolgreich ich mich fühle
Würdest du mich fragen, ob ich erfolgreich bin, dann wäre meine spontane Antwort vermutlich „Nein!“ (mit Ausrufezeichen). Warum? Weil es in meinem Leben noch ein paar Themen gibt, bei dem meine Bemühungen noch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben. Oha! Jetzt bin ich von mir selbst überrascht. Ich war mir gar nicht bewusst, dass ich mich nicht erfolgreich fühle, weil ich auf meine Baustellen schaue. Das ist ja spannend und gleichzeitig erhellend. Der Fokus macht die Bewertung und entscheidet darüber, wie ich mich fühle. Ich lasse das mal so stehen.
Warum ich mich nicht erfolgreich fühle
Nach allgemeingültigen Maßstäben bin ich nicht erfolgreich. Ich bin eine Frau, aber ich habe keine Kinder. Wir haben kein Haus im Grünen und wir fahren nur wenig in den Urlaub. Alles Themen, über die ich am Stammtisch nichts erzählen könnte. Nein, ich habe nicht studiert und es hat mich nie gereizt, in einem der großen deutschen Unternehmen Karriere zu machen. Ich habe mein Coaching Business an den Nagel gehängt und wenn ich erzähle, dass ich als Business Mentorin im Network Marketing tätig bin, würde mir niemand anerkennend auf die Schulter klopfen. Da haben wir sie wieder, die gesellschaftlichen Normen, aus denen die Bilder in meinem Kopf gemacht sind.
Oder bin ich vielleicht doch erfolgreich?
Puh! Was für ein bewegender gedanklicher Trip. Jetzt weiß ich, warum ich so lange um das Thema herumgeschlichen bin. Auf eine gewisse Art und Weise fühle ich mich trotzdem erfolgreich, auch wenn noch nicht alles meinem Bild von einer erfolgreichen Frau entspricht. Aber so ist das eben, wenn man noch Träume und Ziele hat.
Wenn ich „auf die positiven Ergebnisse meiner Bemühungen“ schaue, bin ich sehr wohl erfolgreich.
Ich weiß heute, wer ich bin und was mich ausmacht – und ganz wichtig – ich mag mich und finde mich ganz sympatisch. Ich habe ein paar Schwächen, aber auch ganz schön viele Fähigkeiten und Stärken. Ich kenne meine Werte (Offenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit), habe eine gute Intuition und kann klar und zügig Entscheidungen treffen. Ich habe jede verd*** Herausforderung (und manche hatten durchaus existenziellen Charakter) in meinem Leben als Wachstumschance genutzt und so lange nach Lösungen gesucht, bis ich sie gefunden habe. Auch wenn es mal länger dauerte, habe ich niemals aufgegeben. Beim Thema Durchhaltevermögen habe ich es inzwischen zur Meisterschaft gebracht.
Ich bereue nichts und ich hatte das Glück, dass ich immer zur richtigen Zeit an die richtigen Dinge, Menschen oder Informationen gekommen bin. Auf meine Intuition kann ich mich zu 100 Prozent verlassen. Mein Ziel war und ist es, mich innerlich frei zu fühlen. Ich bin dem schon ziemlich nahe und erkenne, dass es all die schwierigen und herausfordernden Situationen waren, die mich über mich selbst hinauswachsen haben lassen. Das macht stark, selbstbewusst und frei.
Und wie sieht es mit dem beruflichen Erfolg aus?
In Vorbereitung auf ein Gespräch zum Thema Scheitern habe ich kürzlich diesen Gedanken gelesen: „Wenn wir über Scheitern sprechen, müssen wir über Erfolg reden“. Von außen gesehen, habe ich einen recht unspektakulären Lebenslauf. Meine wirkliche berufliche Entwicklung fand hinter den Kulissen statt. Als das Unternehmen meiner Eltern kurz vor dem Konkurs stand, habe ich es, gemeinsam mit meinem Bruder, umgekrempelt und neu ausgerichtet. Mit allem, was dazugehört. Damit kann ich in der Wirtschaft interessanterweise nicht punkten, denn ich passe nicht ins genormte „Mainstream-Denken“. Trotzdem bin ich stolz auf das, was wir gemeinsam geschafft haben. Ich war in meinen Positionen in der Wirtschaft zwar mitten im Managementgeschehen, aber eher als Randfigur. Ich habe sehr viel Einblick bekommen in diesen Wahnsinn da draußen und herausgefunden, was für mich wirklich wichtig ist.
Es hat schlappe zwanzig Jahre gedauert, bis ich mich mit meinem Coaching Business selbstständig machen konnte. Um nach einigen Jahren festzustellen, dass ich damit durchaus erfolgreich sein kann, aber sich die erhoffte (Dauer)Freude – aus unterschiedlichen Gründen – in Grenzen hielt. Ich habe meinen Traum leichten Herzens an den Nagel gehängt und festgestellt, dass mir die Arbeit als Mentorin viel mehr Freude macht. Erfolgreich fühle ich mich trotzdem. Denn nichts ist umsonst und ich kann mein ganzes Know-how auch in der neuen Aufgabe nutzen.
Ich bin ethische Networkerin geworden. Etwas, was es in meinen Vorstellungsbildern schlichtweg nicht gab. Und obwohl es so einige – wirklich seltsame – Vorurteile dagegen gibt, mache ich diesen Job mit viel Liebe und Leidenschaft. Aber ich bin Gegenwind gewohnt und neue Ideen brauchen eben ihre Zeit.
Weißt du, wann ich mich in meinem Beruf nicht nur erfolgreich, sondern auch erfüllt fühle?
Wenn ich andere Frauen dabei unterstütze, selbst erfolgreich zu werden. Sie zu selbstbewussten Unternehmenrinnen auszubilden, damit sie für sich und ihre Familien eine solide Zukunft aufzubauen können. Wenn sich Frauen auf den Weg machen und über sich selbst hinauswachsen, fühle ich mich nicht nur erfolgreich. Es macht mich glücklich und ich bin aus tiefstem Herzen dankbar dafür. Denn ich bin der Meinung, dass es für uns Frauen wichtig ist, unabhängig zu sein. Und frei. Und da sind wir auch schon beim nächsten Thema.
Wie ich meinen Erfolg als Frau definiere
Dass ich Selbstständigkeit und Unabhängigkeit für wichtig halte, daran ist vermutlich meine Mutter „schuld“. Sie hat nie eine Ausbildung gemacht und deshalb war es ihr immer wichtig, dass ich als Frau unabhängig bin und mein eigenes Geld verdiene. Heute würde man meine Mutter als eine emanzipierte Karrierefrau bezeichnen. Sie war die Macherin im Hintergrund. Sie hat nicht nur uns Kinder großgezogen, sondern die beiden Unternehmen maßgeblich mit aufgebaut. Sie hat sich ums Finanzielle gekümmert und in der Krise mit den Banken verhandelt. Sie hat die unangenehmen, wichtigen, und schwierigen Gespräche mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern geführt. Kurz: Sie war der Kopf des Unternehmens.
Ich weiß nicht, ob es an diesen Erfahrungen liegt, aber für mich ist Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit und Freiheit etwas zentral Wichtiges. Natürlich verläßt man sich in einer Partnerschaft auch auf den anderen. Aber ich habe schmerzhaft lernen müssen, und all zu oft beobachtet, dass sich das Leben von heute auf morgen ändern kann. Und dass es eine große Erleichterung sein kann, wenn ich als Frau zum Familienunterhalt beitragen kann. Wenn man sich gegenseitig absichern kann, wie beim Klettern. Und das ist auch der Punkt, weshalb ich mich – im Gesamten gesehen – noch nicht ganz erfolgreich fühle. Weil mich das Ergebnis meiner Bemühungen noch nicht ganz zufrieden stellt. Weil da noch Luft nach oben ist.
Ein erfolgreiches Leben ist ein mutiges Leben
Was ist denn jetzt Erfolg? Wenn mir eines durchs Scheiben bewusst wurde dann, dass Erfolg eine Sache der Definition ist. Ich entscheide, ob ich mich erfolgreich fühle oder nicht. Bei manchen Themen halte ich mich für erfolgreich, bei anderen nicht. Und auch das wandelt sich ständig.
Für mich ist ein erfolgreiches Leben ein gelingendes Leben.
Ein mutiges Leben. Mutig zu sein, ist für mich ein ganz wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Denn zum Erfolg gehört Veränderung. Immer wieder. Sich auf Neues einzulassen, Altes hinter sich zu lassen und sich von nichts und niemandem aufhalten zu lassen. Und vielleicht ist das mein roter Faden für ein erfolgreiches Leben: Offen zu sein, Mut zu haben und sich immer und immer wieder auf das Leben einzulassen. Und mich in all diesem Wandel stark und sicher zu fühlen.
Wie definierst du Erfolg für Dich? Ich freue mich über Deinen Kommentar.
Respekt Marita vor dieser Offenheit und von dem so schwierigen Thema „ERFOLG“ – ich habe diesen Text in einem Atemzug zu Ende gelesen und jeden Satz gefühlt, verstanden und ausgekostet. Du bist eine Inspirationsquelle und ich schätze Deine Meinung, Einstellung und Haltung – jetzt vorwiegend dem „Erfolg“ gegenüber. Danke!
Ganz lieben Dank fürs Lesen und Deinen ausführlichen Kommentar, liebe Justyna. Ich freue mich, dass er Dir gefällt und – ja – er ist intensiver geworden, als ich mir das vorgestellt hatte.
Liebe Grüße,
Marita
Liebe Marita,
Dein Blogartikel ist sehr interessant und sehr ehrlich, ich mag das sehr, denn das holt mich ab, da, wo ich als Frau in meinem sich verändernden Berufsleben stehe. Das Thema Erfolg ist für mich doch irgendwie noch sehr dem Männlichen zugeordnet. Aber genau, was definiert Erfolg eigentlich? Eine Freundin sagte gerade zu mir, dass wir Frauen, die sich mutig auf ihren Weg gemacht haben, sich doch auf ihrer eigenen Heldinnen-Reise befinden. Und dazu gehören die Rufe nach Veränderung und eben auch die eigene Drachenhöhle der Prüfungen. Ich danke Dir für diesen Mut machenden Beitrag!
Alles Liebe von Anke